Seiteninhalt
20.10.2022

Jüdische Nachkommen besuchen Ingolstadt

Gedenkschilder für Familien Sonn und Weinberg

In den vergangenen Tagen haben Angehörige der beiden jüdischen Familien Sonn und Weinberg Ingolstadt besucht.

Vom 11. bis 13. Oktober waren Helen Dimson, Tochter von Max Sonn, und ihr Mann Elroy Dimson in Ingolstadt. Dabei besuchten sie unter anderem das Gedenkschild für die Familie Sonn, das im August an der Ziegelbräustraße 2, dem ehemaligen Wohnhaus der Familie, angebracht worden war. Konzipiert wurde das Gedenkschild vom Projekt „Opfer des Nationalsozialismus in Ingolstadt“ und dem Reuchlin-Gymnasium, der ehemaligen Schule von Max Sonn.

Die Familie Sonn wurde während der Pogrome am 10. November 1938 aus Ingolstadt vertrieben. Max Sonns Eltern, Samson und Henriette Sonn, sowie Henriettes Schwester Klara Adler fanden zunächst bei Freunden in München Zuflucht. Am 3. Juli 1942 wurde das Ehepaar Sonn ins Ghetto Theresienstadt deportiert und am 19. September 1942 im Vernichtungslager Treblinka ermordet. Klara Adler wurde am 8. August 1943 im Ghetto Theresien-stadt ermordet.

Max Sonn gelang bereits 1938 die Flucht nach England. Dort wurde er zunächst als „Enemy Alien“ auf der Isle of Man interniert. Später arbeitete er als Verwaltungsangestellter in einer Fabrik in Newcastle. 1940 heiratete er „Loni“ Babette Gutmann aus München in Manchester. Die Familie ging später zurück nach Newcastle, wo Max Sonn im Jahr 1993 verstarb. Das Paar hatte zwei Kinder: Michael (geb. 1944) und Helen (geb. 1946), die noch heute in Großbritannien lebt. Mit diesen beiden Angehörigen konnten die Schülerinnen und Schüler des Reuchlin-Gymnasiums im Zuge ihrer Recherchen Kontakt aufnehmen.

Vom 17. bis 19. Oktober waren Ruben und Cynthia Wind zu Gast. Ruben ist der Sohn von Edith Wind, die 1931 als Edith Weinberg in Ingolstadt geboren wurde. Sie musste mit ihrer Familie nach den Novemberpogromen 1938 aus Ingolstadt fliehen. Edith Weinberg lebt heute in Argentinien und besuchte Ingolstadt zuletzt 1993.

Mit 15 Jahren kam Max Weinberg (geb. 1902) aus dem hessischen Gersfeld bei Fulda nach Ingolstadt, um bei seiner verwitwete Tante Babette Herz, geb. Sonder, und deren vier Kindern (Mina, Rosa, Simon und Leo) am Holzmarkt 5 zu leben. Die Familie führte in Ingolstadt ein Großhandelsgeschäft, in dem auch Max arbeitete. Ende 1926 lernte er seine spätere Frau, Grete Katz aus Netra bei Kassel (geb. 1903), kennen, die im Herrenmodegeschäft „Gebr. Klein“ der ebenfalls jüdischen Familie Hermann in Ingolstadt arbeitete. Sie heirateten 1930 und bekamen 1931 das erste Kind: Edith. 1935 folgte die Geburt der zweiten Tochter Ruth. Max machte sich als Kaufmann selbständig und betrieb von der Familienwohnung in der Milchstraße 9 aus sein eigenes Öle-, Fette-, Farben- und Lacke-Großhandelsgeschäft. Er war viel geschäftlich unterwegs. So auch während der Novemberpogrome 1938, als die Familie die Stadt binnen weniger Stunden verlassen musste. Sie flohen zu Verwandten nach München, bis sie im Mai 1939 das große Glück hatten, zu viert nach Argentinien auszuwandern.

Nach dem Krieg bekamen sie die traurige Nachricht, dass ihre Angehörigen im Holocaust ermordet wurden: Grete Weinbergs Vater, Moritz Katz, im KZ Buchenwald, Mutter Emilie Katz „verschollen“, Simon Herz' 1921 in Ingolstadt geborener Sohn Emanuel 1942 in Auschwitz, Mina Herz-Lauchheimers 1920 in Ingolstadt geborene einzige Tochter Gertrud ebenfalls in Auschwitz.

Edith arbeitete in Argentinien als Englisch- und Spanischkorrespondentin. 1952 heiratete sie Peter Wind aus Berlin, einen Importkaufmann für Druckereipapier. Das Paar hat zwei Söhne: Rafael Wind (geb. 1954) und Ruben Wind (geb. 1959), der heute in Connecticut lebt. Max Weinberg verstarb 1968, Edith lebt noch heute in Argentinien.

Für die Familie Weinberg wurde im Rahmen ihres Ingolstadt-Besuchs ebenfalls ein Gedenkschild am ehemaligen Wohnhaus in der Milchstraße 9 angebracht.