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Erste Funde aus dem Königsgut Karls des Großen
Eine Fibel aus dem 8. Jahrhundert

Archäologische Ausgrabungen brachten bedeutenden Fund zu Tage

Fibel. Foto: Kurt Scheuerer
Bei den derzeit laufenden archäologischen Ausgrabungen zwischen Moritz- und Sauerstraße wurde vor wenigen Tagen eine bronzene Gewandschließe entdeckt, die in die zweite Hälfte des 8. Jahrhunderts und damit in die Zeit Karls des Großen (768-814) datiert.
Den Plänen des Kaisers, wie sein Reich im Falle seines Todes aufzuteilen sei, verdankt Ingolstadt seine erste urkundliche Nennung vor fast 1200 Jahren, im Jahre 806. Damals war Ingolstadt ein fränkisches Königsgut mit Herrenhof und zahlreichen weiteren Höfen.
Der Fund der Gewandschließe ist der erste archäologische Beleg aus dieser Zeit in der Ingolstädter Altstadt. Er ist für die Stadtgeschichtsforschung von entscheidender Wichtigkeit.

Bereits 1807 vermutete Johann Nepomuk Mederer in seiner "Geschichte des uralten königlichen Maierhofes lngoldestat, itzt der königl. baierischen Hauptstadt Ingolstadt", dass der Herrenhof im Umfeld der Moritzkirche zu suchen sei. Bis zum heutigen Tag haben die Ingolstädter Historiker an dieser Auffassung festgehalten, mussten den Beweis dafür jedoch schuldig bleiben.
Dem hielt einer der "Nestoren" der archäologischen Forschungen im Raum Ingolstadt, Hermann Witz, bereits in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts entgegen, dass die ältesten Funde in der Altstadt aus romanischer Zeit stammen und somit nicht vor die erste Jahrtausendwende datieren. Er stellte daher zur Diskussion, ob nicht der alte römische Straßenknotenpunkt bei Feldkirchen mit dem nahe gelegenen, alten Donauübergang das ursprüngliche Ingolstadt wäre, das erst zu einem späteren Zeitpunkt in die Altstadt verlegt worden sei. Etwa 80 Ausgrabungen und Fundbergungen in der Altstadt, die Zehntausende von Kleinfunden lieferten, haben diese Hypothese seither nachhaltig unterstützt.

Die erste Flächengrabung in der Altstadt wurde 1986 durch das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege (Leitung: Dr. Karl Heinz Rieder) durchgeführt. Sie fand östlich der Moritzkirche beim Zehenthof statt, wo seit Mederer der Herrenhof des Königsgutes vermutet wurde. Die Untersuchung lieferte wichtige Erkenntnisse zum spätmittelalterlichen Ingolstadt, aber keine Hinweise auf die Zeit Karls des Großen.
Weitere Grabungen des Landesamtes und des Stadtmuseums um das Alte Schloss und in der Schäffbräustraße folgten. Sie suchten unter anderem nach dem Osterdorf und dem "vicus" im Schutterknie, zwei aus den Schriftquellen des 13./14. Jahrhunderts bekannten Siedlungen, die in die Frühzeit Ingolstadts zurückreichen sollten. Auch dort konnten aber keine Hinweise auf eine Besiedlung der Zeit vor der Stadtwerdung im 13. Jahrhundert beigebracht werden.
Mehrere Ausgrabungen und Baubeobachtungen im verfüllten Bett der Schutter haben bislang eine Nutzung dieses Gewässers ebenfalls erst im 13. Jahrhundert belegt. Daher erhielt aus archäologischer Sicht die Auffassung zunehmend Gewicht, die Altstadt sei erst im frühen zweiten Jahrtausend dauerhaft besiedelt worden.
Ein Grubenrest des 10./11. Jahrhunderts in der Theresienstraße und eine längst verschollene Emailscheibenfibel vom Münsterfriedhof aus derselben Zeit änderten daran im Grundsatz nichts. Zudem standen seit einigen Jahren dem "Negativbefund" in der Altstadt frühmittelalterliche Funde und aufschlussreiche Luftbilder im Raum Mailing/Feldkirchen gegenüber, was die alte Hypothese von der Siedlungsverlagerung unterstützte.

Die Ausgrabungen im Bereich der geplanten "Moritzresidenz" wurden als wichtige, aber auch als eine der letzten Möglichkeiten gesehen, dem alten Königsgut in der Altstadt auf die Spur zu kommen. Falls das Gelände um die Moritzkirche bereits vor 1200 Jahren besiedelt war, musste der hochwassersicher gelegene Grabungsplatz zwischen dem Gotteshaus und der Schutter- bzw. Donauniederung schon damals bebaut oder zumindest begangen worden sein.
Der Fund der Gewandschließe und eines Gefäßfragments haben das nun bestätigt, auch wenn sie in sekundärer Lage in Befunden des 13./14. und des 17./18. Jahrhunderts angetroffen wurden. Eine ähnliche Chance für die Stadtkernarchäologie wird die geplante Umgestaltung des südlichen Rathausplatzes bieten.

Damit ist die Beantwortung der Frage, ob Feldkirchen das "Alte Ingolstadt" ist, oder nicht, zum Greifen nahe. Die Auffassung der Ingolstädter Geschichtsforscher, der zufolge das Gelände der Altstadt bereits in der Zeit Karls des Großen besiedelt war, scheint sich als richtig zu erweisen.
Die Qualität der Gewandschließe, die auf einen Besitzer aus einer gehobenen Gesellschaftsschicht und auf Kontakte ins Innere des Frankenreiches hinweist, lässt sogar hoffen, dass sich bei der Fortsetzung der Ausgrabungen Hinweise auf die Lage des Herrenhofes einstellen. Das könnte eine weitere alte Hypothese der Stadthistoriker bestärken, wonach die Moritzkirche auf ein Gotteshaus der Karolingerzeit zurückgeht.

Mit den Funden aus seiner Zeit als Königsgut Karls des Großen erhält die heutige Groß- und einstige Hauptstadt Ingolstadt einen wesentlichen Teil ihrer Geschichte zurück, der kurz davor war, für immer verloren zu gehen.

Text: Dr. Gerd Riedel, Stadtmuseum Ingolstadt
IN Newsletter vom 16.04.2003


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